Die PSA-Verordnung definiert Schutzausrüstung vereinfacht ausgedrückt als Ausrüstung einer Person zum Schutz gegen Risiken für ihre Gesundheit oder Sicherheit.
Die Medizinprodukterichtlinie bzw. -verordnung zielen bei der Definition von Medizinprodukten vereinfacht ausgedrückt auf “Gerätschaften” ab, die einem medizinischen Zweck dienen. Schützt ein Produkt also primär den Patienten, etwa im Zuge einer medizinischen Behandlung, sollte es sich um ein Medizinprodukt handeln.
In welche der beiden o.g. Kategorien ein Produkt letztlich fällt, hängt von dessen Zweckbestimmung ab, die wiederum der Hersteller selbst für ein jeweiliges Produkt formuliert. Masken und Schutzbekleidung, die im Zuge der Covid-19-Pandemie stark nachgefragt sind, sind ein gutes Beispiel.
So sind medizinische Masken (Mund-Nasen-Schutz, MNS) Medizinprodukte gemäß Medizinprodukteverordnung oder Medizinprodukterichtlinie. Sie dienen hauptsächlich dem Schutz der Patienten und haben einen medizinischen Zweck. Demgegenüber dienen Atemschutzmasken (partikelfiltrierende Halbmasken; FFP1, FFP2 oder FFP3) vor allem dem Selbstschutz des Anwenders und fallen unter die PSA-Verordnung.
Ähnlich ist es bei Schutzbekleidung. Operationsbekleidung schützt vor allem den Patienten auf dem OP-Tisch während des medizinischen Eingriffs. Daher handelt es sich um ein Medizinprodukt gemäß Medizinprodukteverordnung oder Medizinprodukterichtlinie. Schutzkleidung, die den Anwender vor Virus-Kontamination schützen soll, fällt als persönliche Schutzausrüstung hingegen unter die PSA-Verordnung.
Die prinzipielle Vorgehensweise ist in beiden Fällen die gleiche: Ein Hersteller muss durch eine Konformitätserklärung bestätigen, dass ein Produkt die grundlegenden Anforderungen der europäischen Verordnungen bzw. Richtlinien erfüllt. Diese sind die:
Die Konformitätserklärung ist wesentliche Voraussetzung für die CE-Kennzeichnung eines Produkts durch den Hersteller oder Bereitsteller. Ohne Konformitätserklärung dürfen sowohl Medizinprodukte als auch persönliche Schutzausrüstung im Regelfall in Europa nicht in Verkehr gebracht werden.
Sowohl bei persönlicher Schutzausrüstung als auch bei Medizinprodukten muss der Hersteller zunächst eine Einteilung eines Produkts in unterschiedliche Risikogruppen vornehmen. Diese Eingruppierung ist Grundlage für die Auswahl des Konformitätsbewertungsverfahrens.
Bei persönlicher Schutzausrüstung gibt es die Risikokategorien I (geringe Risiken) bis III (hohe Risiken). Die Einteilungskriterien finden sich im Anhang I der PSA-Verordnung. Partikelfiltrierende Halbmasken oder Schutzanzüge, die für den persönlichen Schutz gegen SARS-CoV-2 Kontamination gedacht sind, fallen in die Kategorie III. Offensichtlich wären die Folgen einer Kontamination für die betreffende Person mit hohen Risiken verbunden. Generell fällt persönliche Schutzausrüstung, die vor schädlichen biologischen Agenzien schützt, in die höchste Kategorie.
Bei Medizinprodukten gibt es die Risikoklassen I (geringes Risiko) bis III (hohes Risiko). Die Einteilung von Medizinprodukten hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab. Zudem ändern sich die Einteilungskriterien beim Übergang der Medizinprodukterichtlinie (siehe Anhang IX) zur Medizinprodukteverordnung (siehe Anhang VIII) erheblich. Im Zuge der Covid-19-Pandemie werden insbesondere nicht-invasive Medizinprodukte zu Schutzzwecken nachgefragt, insbesondere Mund-Nasen-Schutz, Handschuhe und medizinische Schutzkleidung. Diese fallen überwiegend in die Risikoklasse I.
Sowohl für persönliche Schutzausrüstung als auch für Medizinprodukte gibt es unterschiedliche Konformitätsbewertungsverfahren, die in Abhängigkeit von der Risikoeinteilung eines jeweiligen Produkts zur Anwendung kommen.
Persönliche Schutzausrüstung, die vermehrt während der Covid-19-Pandemie benötigt wird, fällt im Regelfall in die höchste Kategorie III. Diese erfordert eine EU-Baumusterprüfung (Modul B, Anhang V) in Verbindung mit einer internen Fertigungskontrolle und überwachten Produktprüfungen in unregelmäßigen Abständen (Modul C2, Anhang VII) oder in Verbindung mit einer Überwachung eines Qualitätssicherungssystems (Modul D, Anhang VIII).
Beide Verfahren setzen eine technische Dokumentation des Produkts voraus. Außerdem muss ein Hersteller in beiden Fällen eine Notifizierte Stelle einbeziehen, die das Konformitätsbewertungsverfahren zertifiziert. Die Notifizierte Stelle muss für die PSA-Verordnung akkreditiert sein. Bringt der Hersteller nach erfolgreich durchlaufenem Konformitätsbewertungsverfahren das CE-Kennzeichen am Produkt an, muss dieses die Kennnummer der Notifizierten Stelle tragen.
Nicht-invasive und unsterile Medizinprodukte, die dem Schutz von Patienten dienen, fallen überwiegend in die Risikoklasse I mit geringen Gefahren. Hier kann der Hersteller oder ggf. ein Bevollmächtigter die Konformität mit den grundlegenden Anforderungen (Medizinprodukterichtlinie) oder den grundlegenden Sicherheits- und Leistungsanforderungen (Medizinprodukteverordnung) eigenständig erklären. Die Einschaltung einer Benannten Stelle ist nicht erforderlich. Es reichen im Wesentlichen die ordnungsgemäße Erstellung einer technischen Dokumentation, die Ausstellung der Konformitätserklärung und die nachfolgende CE-Kennzeichnung des Medizinprodukts.
Wollen Hersteller die Konformität mit den grundlegenden Anforderungen nachweisen, können Sie produktspezifische, harmonisierte Normen verwenden. Harmonisierte Normen sind europaweit einheitlich und beinhalten wesentliche technische Spezifikationen sowohl für persönliche Schutzausrüstung als auch für Medizinprodukte. Beispielhaft seien einige wichtige Schutzprodukte und dazugehörige Normen genannt:
Akkreditierte Prüforganisationen testen, ob ein Produkt die technischen Spezifikationen der Normen erfüllt und stellen entsprechende Zertifikate aus. Diese sind Teil der technischen Dokumentation und des Konformitätsbewertungsverfahrens.
Durch die Covid-19-Pandemie ist ein eklatanter Mangel bei einer Reihe von Schutzprodukten entstanden, allen voran bei Atemschutzmasken. Daher wird eine Reihe regulatorischer Bestimmungen gelockert oder verschoben, um Hürden für Hersteller und Bereitsteller zu senken:
Trotz der zahlreichen Änderungen gilt weiterhin grundsätzlich, dass sowohl Medizinprodukte als auch persönliche Schutzausrüstung eine Konformitätserklärung und eine CE-Kennzeichnung vorweisen müssen, um in Europa und damit in Deutschland legal in Verkehr gebracht werden zu dürfen. Bei Verstößen gelten die entsprechenden Straf- und Bußgeldvorschriften des Medizinproduktegesetzes sowie des PSA-Durchführungsgesetzes.
Infolge der Covid-19-Pandemie und der damit verbundenen gesetzlichen Änderungen haben sich jedoch Ausnahmen von der Regel ergeben. So ist aufgrund des Mangels an Schutzprodukten der Bund selbst zum Beschaffer geworden. Über unterschiedliche Beschaffungsämter und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) werden Schutzprodukte in großem Umfang bezogen, in einem vom TüV Nord und vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entwickelten Verfahren qualitätsgeprüft und dann über die Bundesländer und Kassenärztlichen Vereinigungen an Gesundheitseinrichtungen verteilt. Diese Schutzprodukte tragen keine CE-Kennzeichnung und dürfen nicht in den freien Warenverkehr gelangen. Laut Angaben des BMG entsprachen bislang ca. 20% der gelieferten Schutzmasken nicht den einschlägigen Normenanforderungen. Über die MP-PSA-BeschaffungsVO sind die Beschaffungspartner des Bundes jedoch vom Haftungsrisiko befreit.
Die am 25. Mai 2020 in Kraft getretene MedBVSV erlaubt vorübergehend zwei Wege, PSA ohne Konformitätserklärung und CE-Kennzeichnung in Deutschland legal in Verkehr zu bringen. Zum einen gilt PSA, die in den USA, Kanada, Australien oder Japan zugelassen ist, gemäß MedBVSV auch in Deutschland als verkehrsfähig. Voraussetzung ist jedoch die Einschaltung der jeweils zuständigen Marktüberwachungsbehörde. Zum anderen ermöglicht die neue Verordnung, PSA dann in Deutschland in Verkehr zu bringen, wenn diese einem “Schnellprüfverfahren” erfolgreich unterzogen wird.
Der Prüfgrundsatz für das Schnellprüfverfahren wird durch die Zentralstelle der Länder für Sicherheitstechnik (ZLS) veröffentlicht. Laut ZLS gibt es derzeit in Deutschland sechs geeignete Prüfstellen (Stand: 10. Juni 2020). Auch in diesem Fall ist die Einschaltung der zuständigen Marktüberwachungsbehörde zwingend erforderlich, welche die schnellgeprüfte PSA mit einer Bestätigung versieht.
Eine weitere Ausnahme ist die Sonderzulassung nach §11 MPG oder Artikel 59 MDR, für die beim BfArM ein formloser Antrag gestellt werden kann. Eine Sonderzulassung kommt dann in Betracht, wenn die Anwendung des Medizinproduktes im Interesse des Gesundheitsschutzes liegt. MNS, der über den Weg der Sonderzulassung, d.h. ohne CE-Kennzeichnung in Deutschland in Verkehr gebracht werden soll, muss die Anforderungen der Norm DIN EN 14683:2019-6 erfüllen. Das BfArM nennt anerkannte Labore, die diese Prüfung durchführen können.
Vorübergehend besteht außerdem die Möglichkeit, partikelfiltrierende Halbmasken ohne Ausatemventil über den Weg der Sonderzulassung als Medizinprodukt in Deutschland in Verkehr zu bringen, sofern diese eine medizinische Zweckbestimmung haben. Die Zugangsvoraussetzungen sind identisch zu denen der MedBVSV. Hinzu kommt die Registrierungspflicht für Medizinproduktehersteller im Medizinprodukte-Informationssystem des BfArM (bis zum 26. Mai 2020 beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information, DIMDI). Antragsteller erhalten vom BfArM einen Verwaltungsbescheid, der u.a. die Auflage erteilt, Kunden durch geeignetes Informationsmaterial über die Sonderzulassung zu informieren.
Insgesamt sieht das BfArM für Masken zum Infektionsschutz in der aktuellen Covid-19-Pandemie allerdings keinen Versorgungsengpass mehr und damit auch keine Rechtfertigung für eine positive Antragsbewertung. Bereits vorliegende Anträge werden auf den 31. August 2020 befristet.